Sinkende Religionsfreiheit: Mit der Einführung einer neuen Religionsverordnung bleibt in China kein Stein auf dem anderen, wenn es um religiöse Gebäude geht. Buddhistische Statuen werden niedergerissen, Tempel und christliche Gemeinden geschlossen, Kreuze niedergerissen und Pastoren verhaftet. Unsere einheimische Mitarbeiterin Peony (Name geändert) erklärt das harte Vorgehen gegen Christen.
Burgdorf, 26.9.19 – Im Eiltempo wurden in den letzten Jahren religiöse Symbole der Dao, Buddhisten, Muslime wie auch der Christen niedergerissen. Religiöse Aktivitäten werden elektronisch in nie dagewesener Weise überwacht. Beamte geben den Druck von oben in die Provinzen weiter.
«China ist ein kommunistisches Land, die Agenda lautet: ‚Es gibt keinen Gott.‘», erklärt unsere einheimische Mitarbeiterin Peony (Name geändert).
Jiang Zemin (1993 bis 2003) baute Stabilität auf und Hu Jintao (2003 bis 2013) kurbelte die Wirtschaft an. Xi Jinping (seit 2013) bekräftigte auf dem Parteikongress der kommunistischen Partei 2017, dass den Grundsatz, dass Religionen in China in ihrer Ausrichtung chinesisch sein müssen. Peony: «Er betont, dass die Wurzeln der Volksrepublik China der Sozialismus ist. Die Regierung arbeitet am Aufbau Chinas zu einem modernen, mächtigen und sozialistischen Land. Der Sozialismus soll unter ihm wieder wachsen. Dazu wurde im Februar 2018 das neue Religionsgesetz eingeführt.»
Restriktionen schon länger geplant
«Die Regierung verfolgt diese Agenda schon länger, deshalb kamen für mich diese Einschränkungen und Massnahmen weder unerwartet noch schnell», bilanziert Peony. «Vor fünf bis zehn Jahren war die Glaubensfreiheit am grössten.» Erste Kampagnen, in deren Zuge Kreuze von den Kirchendächern geholt wurden, erfolgte bereits in den Jahren 2014 und 2015. «Die Restriktionen nahmen zu, immer mehr Einschränkungen werden eingeführt. Auch lokale Regierungen müssen mehr und mehr Druck ausüben.»
So wurden beispielsweise in der Stadt Hangzhou in der ostchinesischen Provinz Zhejiang einige buddhistische und daoistische Tempel in Kultursäle, Verwaltungsämter und Freizeitzentren für Senioren umgewandelt. Buddhistische Statuen werden mit Propagandapostern überhängt, auf denen Slogans mit sozialistischen Parolen prangen sowie Porträts von Xi Jinping.
Regierung will Zersplitterung
Bis vor kurzem konnten christliche Gemeinden in kommerziellen Gebäuden Räume anmieten und sich versammeln. «Manchenorts kamen sonntags 100 bis 300 Gläubige und in einigen Fällen sogar bis zu 1000 Personen zusammen. Sie konnten sich ganz offen treffen. Die lokalen Behörden sahen, dass die Gemeinden Gutes für die Gesellschaft taten und sie trafen sich mit den Gemeindeleitern; die Zusammenarbeit war gut.»
Die Einschränkungen unterscheiden sich in den verschiedenen Gegenden. «In einem Ort kann es die Schliessung einer Kirche bedeuten, während andernorts ‘nur’ eine Warnung erfolgt. Wiederum an einem anderen Ort verlangen die Behörden, dass die Gemeinde in ein unauffälligeres Gebäude zieht oder dass sich die Christen nur noch in kleineren Gruppen zu 20 Personen in privaten Häusern treffen. Das stellt die Gemeinden vor neue Herausforderungen ist schwierig, da es dann an Pastoren und Leitern fehlt; denn wenn sich zuvor 200 Menschen gemeinsam zum Gottesdienst trafen, kann ein einzelner Pastor nicht plötzlich statt einem zehn Gottesdienste leiten.» In einigen Regionen sind Sonntagsschule und Jugendarbeit verboten.
Selbst Buddhisten unter Druck
Bereits früher war im Westen des Landes, im Tibet und im mehrheitlich muslimischen Xinjiang, der Druck grösser, da die beiden flächenmässig grössten der 33 Verwaltungseinheiten des Landes nach der Abspaltung streben. «Schon seit 2017 werden Muslime aus Xinjiang in Umerziehungslager geschickt.»
Die chinesische Regierung fürchtet ausländische Einflüsse. Auch das tief und lange verwurzelte Christentum wird ebenso wie der Islam als westliche Einflussnahme betrachtet. «Im Buddhismus gibt es zwar viele verschiedene Strömungen, doch der Einfluss des tibetischen Buddhismus ist gross. Zudem wird in buddhistischen Tempeln viel Geld eingefordert, welches aber nicht immer gut verwaltet wird – dies wird als Wirtschaftskriminalität gewertet.»
Religion besser nicht mehr nennen
Manchenorts verlangen die Schulbehörden von ihren Schülern neben Vornamen und Namen persönliche Angaben, darunter beispielsweise die Religionszugehörigkeit. «Nennt jemand das ‘Christentum’ als seine Religion wird öfters geraten, dies zu löschen. Entweder, weil die Lehrkräfte selbst unter Druck stehen oder auch weil sie wollen, dass den Jugendlichen Probleme erspart bleiben», sagt Peony.
Dennoch sei davon auszugehen, dass die Einschränkungen nicht mehr so hart werden, wie in den frühen Jahren der Volksrepublik: «Es gibt Umerziehungslager, aber es gibt auch lokale und ausländische Medien. Und während der Kultur-Revolution wurden Kirchen geschlossen und verbrannt, Pastoren kamen ins Gefängnis. China ist zivilisierter geworden.»
Gleichzeitig ist die Überwachung überall, «selbst via Smartphone. Jeder hat eines und dadurch ist die Regierung in der Lage, jegliche Bewegungen der Bürger nachzuverfolgen. Allerdings braucht es auch Ressourcen, um alle zu überwachen. Nach unseren Schätzungen leben gegenwärtig 97,2 Millionen Christen im Land.»
Manche verstecken sich
Seit die Restriktionen nun derart zugenommen haben, sind manche christliche Gruppen um zwei Drittel kleiner geworden. «Manche Menschen wissen nicht, wie sie mit der Situation umgehen sollen, deshalb tauchen sie ab.»
Was die Zukunft für die Glaubensfreiheit bringen wird, hängt vieles von der Prioritätensetzung des jeweiligen Präsidenten der Zentralregierung ab sowie jener der regionalen Regierungen. «Sie selbst haben teilweise andere Prioritäten. Wenn die Kirche wenig sichtbar ist, steht sie manchenorts weniger im Fokus.»
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