Das Regime von Daniel Ortega geht mit wachsender Härte gegen Oppositionelle, Kirchenvertreter und kritische Stimmen vor. Menschenrechtsorganisationen und internationale Institutionen sprechen von systematischer Verfolgung, politischer Einschüchterung und massiven Eingriffen in die Religionsfreiheit.
Im Februar gab der nicaraguanische Bischof Rolando Álvarez aus dem Exil ein Interview, auf das der nicaraguanische Aussenminister mit scharfer Kritik reagierte. In seiner Stellungnahme bezeichnete der Aussenminister den Vatikan als «verdorben» und «pädophil» und warf ihm vor, die Souveränität Nicaraguas zu verletzen.
Er erklärte, dass der Vatikan ohne «jegliche supranationale politische Autorität» versuche, Kontrolle über Ämter und Befugnisse in Nicaragua auszuüben, die Personen verliehen wurden, die aufgrund ihres «unangemessenen und inakzeptablen Verhaltens» keine Nicaraguaner mehr seien.
Zudem beschuldigte das Ministerium den Vatikan, «ständig zu Gewalt, Lügen und geplanter Verleumdung» aufzurufen, wodurch «Leid, Schmerz und Angst unter den Familien unseres Landes» verursacht würden. Obwohl Álvarez klar nicht im Namen des Vatikans sprach, wiederholte das Ministerium diese Behauptung und verurteilte die angebliche Einmischung des Vatikans.
Internationale Kritik an Machtmissbrauch und Unterdrückung
Bereits am 29. Januar veröffentlichte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte eine Stellungnahme, basierend auf dem Bericht der Expertengruppe für Menschenrechte zu Nicaragua. Darin heisst es, die nicaraguanische Regierung begehe weiterhin schwere, systematische Menschenrechtsverletzungen, die aus politischen Gründen verübt würden und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten.
Jan Simon, Präsident der Expertengruppe, erklärte: «Präsident Ortega, Vizepräsidentin Murillo [Rosario, die Ehefrau des Präsidenten, Anm. d. Red.] und weitere ranghohe Regierungsvertreter, die im Bericht genannt werden, müssen vor der internationalen Gemeinschaft zur Rechenschaft gezogen werden – ebenso wie Nicaragua als Staat, der sein eigenes Volk verfolgt.»
Die Verfolgung betreffe insbesondere Studierende, indigene Gruppen, afro-nicaraguanische Gemeinschaften, Bauern sowie Mitglieder der katholischen Kirche und anderer christlicher Konfessionen.
Eine Spirale aus Angst und Schweigen
Laut Bericht ist die Repression inzwischen subtiler geworden. Menschenrechtsverletzungen und Einschüchterung dienen nicht nur der Zerschlagung aktiver Opposition, sondern sollen langfristig kritische Stimmen zum Schweigen bringen und neue zivilgesellschaftliche Bewegungen verhindern.
Im erwähnten Interview hatte Monsignore Álvarez bestätigt, weiterhin Bischof von Matagalpa und Apostolischer Administrator von Estelí zu sein – ein Mandat von Papst Franziskus. Die Regierung wertete dies als Einmischung des Vatikans und verurteilte die angebliche Förderung «staatenloser, destruktiver, ehrgeiziger und unverbesserlicher Personen», die man «niemandem als Autoritäten» zumuten könne.
Jan Simon ergänzte:
«Nicaragua steckt in einer Gewaltspirale, geprägt von der Verfolgung jeglicher politischer Opposition – im In- wie im Ausland. Zugleich hat die Regierung eine Spirale des Schweigens etabliert, die jede Form von Widerspruch lähmt.»
Besonders besorgniserregend sei die Verfolgung von Angehörigen von Regimekritikern – auch von Kindern. Das UN-Dokument dokumentiert Fälle, in denen Kinder Gewalt erfuhren, nur weil ihre Eltern politisch aktiv oder oppositionell eingestellt waren. Deportationen und Einreiseverbote hätten mehrere Familien auseinandergerissen; einigen Kindern wurden gültige Pässe verweigert, damit diese ihre im Ausland lebenden Eltern nicht wiedersehen könnten.
Europa reagiert mit Sanktionen und Kritik
Das Europäische Parlament hat die autoritäre Entwicklung in Nicaragua mehrfach verurteilt. Bereits im Juni 2023 forderten die Abgeordneten die EU-Mitgliedstaaten auf, Ermittlungen zu den schweren Menschenrechtsverletzungen der nicaraguanischen Regierung einzuleiten. Im Oktober 2024 verlängerte die EU ihre Sanktionen gegen 21 Regierungsvertreter und drei Institutionen bis 2025, einschliesslich Einreiseverboten und Kontensperrungen.
Die jüngste Verfassungsänderung, die von Ortega und seiner Ehefrau Murillo angestossen wurde, stärkt ihre Kontrolle weiter. EU-Abgeordnete kritisierten diese Reform als weiteren Schritt zum Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Besonders umstritten ist die Abschaffung unabhängiger Institutionen sowie die Konzentration der Macht in der Exekutive.
Verstärkte Verfolgung der Kirche und religiösen Freiheiten
Parallel zur politischen Repression verstärkt die Regierung ihre Verfolgung der katholischen Kirche und anderer religiöser Gruppen. Besonders aufsehenerregend war die Razzia am 26. Januar 2025 in der Nazareth-Medizin-Klinik der Franziskaner im Department Jinotega. Diese Klinik, betrieben von Pater Odorico D. Andrea, bot verschiedene medizinische Dienstleistungen an. Zudem wurden 30 Klarissenschwestern aus Nicaragua vertrieben, die gezwungen wurden, ihre Klöster zu verlassen.
Das Regime überwacht Priester intensiv, kontrolliert ihre Handys und verlangt wöchentliche Berichte über ihre Aktivitäten. Predigten dürfen nur noch rein theologische Themen behandeln; gesellschaftliche oder politische Themen sind verboten. Seit 2019 hat das Regime insgesamt 11’763 Prozessionen verboten, darunter auch grosse religiöse Feiern wie die Via Crucis während der Karwoche. Allein 2024 wurden etwa 4’800 Prozessionen abgesagt. Um dieser Einschränkung zu begegnen, suchen die Gemeinden nach alternativen Wegen für religiöse Aktivitäten innerhalb der Kirchen.