Eine Gruppe von Schweizern reiste diesen Frühling nach Zentralasien. Am Ostersonntag besuchten sie Gläubige und teilten mit ihnen die Freude über die Auferstehung Jesu Christi. Hier ein Auszug aus ihrem Reisebericht.
Die Situation hier ist besonders angespannt, vor allem, wie unsere Gäste berichten, seit Anschläge die Stadt Moskau in Trauer versetzt haben. Dadurch war die Teilnahme an jeglichen Versammlungen verboten, egal welcher Art, auch wenn es sich um einen besonderen Tag handelte. Wir spürten diesen Druck bereits bei unseren gestrigen Besuchen. Heute war der Druck noch grösser. Unsere Gastgeber hatten für den ganzen Tag fünf Besuche in der Stadt und in der Umgebung, einschliesslich der Bergausläufer im Südosten, geplant. Es wäre untertrieben zu sagen, dass wir eine ganze Menge erlebt haben! Zwölf Stunden, zweihundert Kilometer und vier Mahlzeiten später schrien unsere Körper um Hilfe. Aber wir haben fünf Treffen und ebenso viele Osterfeiern erlebt, die wir für immer in Erinnerung behalten werden.
Erster Besuch: Licht und verborgene Wege in R.
Mama T. ist mit ihren fünfundfünfzig Jahren eine Säule des Glaubens in diesem stark belasteten Stadtteil. Ihre Konversion liegt vier Jahre zurück, eine mutige Tat, die ihr Leben erhellt hat. Ihre Tochter Y., mit ihren feinen und zarten Gesichtszügen, trägt tatarische Wurzeln in sich, eine Seltenheit, die in diesem Land noch kaum anzutreffen ist. Ihre Konversion liegt drei Jahre zurück, und ihr Herz brennt für den Glauben. Ihr Sohn U. ist der jüngste Konvertit in der Familie und hat sich erst vor einem Jahr entschieden, Christus nachzufolgen.
Trotz einer schönen Zeit des Lobpreises in unseren jeweiligen Sprachen mussten wir vorsichtig sein, dass es draussen nicht zu laut wird. Die Nachbarn, die wachsam beobachten, kennen ihre Geschichte und mustern jede ihrer Bewegungen. Aber Y. mit ihrer unaufdringlichen Schönheit und U. mit seinem wachen Blick sind wie Sterne, die in der Dunkelheit leuchten. Sie tragen ihren Glauben wie Schilde und ihr Haus ist ein Heiligtum, in dem die Gebete zum Himmel aufsteigen.
Auf dem Weg zum nächsten Termin folgte uns ein schwarzes Auto mit einem Polizeikennzeichen, das unsere Gastgeber erkannt hatten. Wir teilten uns auf und fuhren auf anderen Strassen, um sie abzuhängen. Gott wachte über uns und wir setzten unsere Reise fort.
Zweiter Besuch: Ein Hoffnungsschimmer im Dunkeln
Im abgelegenen Dorf von R. ist der Glaube für eine Familie mit weit zurückreichenden deutschen Wurzeln eine Herausforderung. Mit nur dreitausend Einwohnern und sehr wenigen Christen ist dieser Ort ein kleiner Lichtpunkt in der Dunkelheit. Mama S., die seit dem Tag vor unserem Besuch wegen einer heftigen Lebensmittelvergiftung krank war, verlor das Bewusstsein. Wir haben sie nicht besucht, aber unsere Gebete begleiten sie. Ihr ältester Sohn X. führt den Haushalt und kommt für die finanziellen Bedürfnisse auf, indem er neben seinem Studium mehrere Jobs hat. Papa Q. wirkt durch die Last des täglichen Lebens leicht depressiv.
Dieses Haus ist ein wichtiger Ort für die Aktivitäten der Gemeinde. Es beherbergt Camps für Kinder und Jugendliche, in denen man sich austauscht und lernt. Beten wir dafür, dass diese Lager segensreich sind und einen positiven Einfluss auf das Leben der jungen Teilnehmenden haben. Im Schatten dieser bescheidenen Mauern nehmen Träume ihren Lauf, und die Hoffnung leuchtet wie ein Lichtschein in der Nacht.
Dritter Besuch: Vom Orakel zum Evangelium – ein Pastor trotzt den Traditionen
Noch weiter entfernt treffen wir auf D. und S., ein Pastorenehepaar. Er sieht aus, als hätte er die Olympischen Spiele im Boxen gewonnen. Sie wiederum scheint, wie viel zu viele Frauen, die wir hier treffen, unsichtbar zu sein, verblasst im Schatten der Traditionen. Das Paar ist verheiratet und hatte vor seiner Konversion nur drei Töchter. Sie befragten die Orakel und mehreren Kartenlegerinnen zufolge sollten sie nie einen Sohn bekommen, was für Menschen ihrer Abstammung jedoch von entscheidender Bedeutung ist. Aufgrund einer Begegnung mit einer Kirche betete D. zu Gott, dass sie einen Jungen bekommen würden. Ein Sohn wurde geboren und mit ihm seine Konversion. Dann kamen zwei weitere Töchter. Heute haben sie vierzehn Enkelkinder. D. versprach Gott, als Dank dafür, dass er ihm einen Sohn geschenkt hatte, für ihn zu arbeiten. Er war der erste Christ in seiner Familie, und heute folgt seine ganze Familie Christus nach.
In dieser Gegend, in der sich die Sterne hinter den Bergen verstecken, gibt es in 18 von 35 umliegenden Dörfern mindestens eine christliche Familie, die zusammen eine Hauskirche bilden. D. achtet besonders auf die Mullahs, die religiösen Führer der Muslime. Er verwendet biblische Beispiele wie Abraham und David, um den religiösen Führern das Evangelium zu erklären. Einige sind für seine Botschaft empfänglich, kommen aber nicht in die Kirche, weil sie Angst haben, erkannt zu werden.
Wir besichtigten daraufhin die Baustelle einer Kirche, für die noch die Finanzierung der Bauarbeiten gefunden werden musste. D. bat uns, für die offizielle Genehmigung dieser Kirche zu beten. Im Schatten der Gerüste, zwischen Ziegelsteinen und Balken, beteten wir. Und so schrieben wir an diesem Ort, der am Entstehen ist und an dem die Mauern Stein für Stein errichtet werden, eine neue Seite unserer Erzählung. D. ist ein Maurer der Seele, der Brücken zwischen Himmel und Erde baut. Wir werden für diese Kirche Fürsprache einlegen, damit sich ihre Türen öffnen und das Licht hineinfällt, das die Herzen und Seelen erleuchtet.
Vierter Besuch: Im Schatten der Berge – Begegnung mit einem Pastor und seinen stillen Frauen
Um das Haus von H. und seiner Familie zu erreichen, das in einem in den Bergen eingebetteten Dorf liegt, reisten wir durch den am weitesten entfernten Ort an diesem Tag. Dort trafen wir G., der niemand anderes ist als der Bruder von D., dem Boxer des vorherigen Besuches. Dieser ist zwar klein, aber ein ehemaliger russischer Soldat, der in Afghanistan gedient hat. Er lebt dort in einem grossen Haus mit mehreren Frauen aus der Familie, die eine Lebensgemeinschaft bilden. Die Frauen sind sehr zurückhaltend und diskret – auch seine Frau, von der wir ausser den üblichen Dienstanweisungen nichts zu hören bekommen.
G. ist der Leiter von fünfundzwanzig Hausgruppen in der Umgebung und in den Bergen. Der Durchschnitt liegt bei fünfzehn Personen pro Gruppe. Er gesteht uns, dass er Weisheit, Schutz und Unterscheidungsvermögen für sich, seine Grossfamilie und in seinem Dienst benötigt. Natürlich gehören die finanziellen Mittel zur Unterstützung seines Dienstes, eine wachsende Zahl von Hauskreisen und das geistliche Wachstum der Teilnehmenden zu seinen Gebetsanliegen.
Die Situation der Frauen in dieser Gemeinde ist ein wichtiges Thema. Es ist wichtig, für ihre Emanzipation und persönliche Entfaltung zu beten. Vielleicht werden diese Frauen eines Tages ihre Stimme finden. Im Verborgenen hegen sie vielleicht Träume, Hoffnungen oder Gebete. Ihr Schweigen ist wie eine Sternenkonstellation, die auf den richtigen Moment wartet, um zu leuchten.
Sie sind die Hüterinnen der Tradition, die Hüterinnen des Heims, aber vielleicht auch die Hüterinnen einer anderen Zukunft. Beten wir für sie, dass ihre Stimmen laut werden und sich ihre Träume erfüllen.
Fünfter Besuch: Flüchtige Begegnungen im Schatten der Hoffnung
Nach einer gut eineinhalbstündigen Fahrt sind wir wieder in R., genauer gesagt in seinem Vorort. Wir betreten ein sehr gemütliches, international wirkendes Begegnungszentrum, das offenbar ein Drehkreuz für unsere Gastgeber ist. Unsere Körper sind müde von diesem endlosen Tag, der von zu vielen reichhaltigen Mahlzeiten unterbrochen wurde. Unser Treffen mit mindestens vier Hauptakteuren aus dem ganzen Land wird flüchtig sein, etwa dreissig Minuten. Sollten wir uns schuldig fühlen? Einige von ihnen sind von weit hergekommen und haben mehr als drei Stunden zurückgelegt, um uns zu treffen. Und was ist mit demjenigen, dessen Bruder am nächsten Tag nach fünf Monaten in Staatsgefängnissen vor Gericht gestellt werden sollte? Was ist mit einer anderen, die an Krebs erkrankt ist? Oder jenem, der mit einem Kopf voller Träume ankam und dessen schöne asiatische Gesichtszüge Mühe hatten, die Überfülle an Träumen zurückzuhalten.
Da sind wir nun, so hilflos, und lauschen ihrem Flüstern. Ihre Stimmen sind zerbrechlich, schweben in der Luft und tragen Geschichten, die wir nicht verstehen. Wir sind wie Schwämme, die ihren Schmerz, ihre Hoffnungen und ihr Schweigen aufsaugen. Aber manchmal gibt es nichts zu verstehen, sondern nur zu fühlen. Wir neigen uns, murmelnde Gebete. Eine Reise ins Herz der Ohnmacht und der Hoffnung. Und in diesen Momenten verstummen unsere Worte, unsere Tränen vermischen sich mit dem Regen, und wir stehen da, demütig und verletzlich, angesichts der Unendlichkeit ihrer Bedürfnisse und der Realität ihrer Existenz.
Vielleicht liegt darin die Schönheit der Ohnmacht: in unserer Fähigkeit, unsere Geringfügigkeit zu erkennen und uns trotz allem zu erheben. Also beten wir weiter, sagen Worte der Liebe und des Trostes und wissen, auch wenn wir den Geschichten nichts hinzufügen können, so sind unsere Herzen doch mit ihnen verbunden und, dank Gott, für immer ein Teil von ihnen. Im Schatten dieser Berge und Ebenen, wo die Winde alte Geheimnisse flüstern, leuchtet die Hoffnung auf Ostern, Christus ist wahrhaftig auferstanden.
In ihren Herzen ist er das Versprechen eines neuen Morgens, der Triumph des Lebens über den Tod. Sie versammeln sich in ihren improvisierten Kirchen, umgeben von blauen Mosaiken und alten Gesängen. Ihre Gebete steigen zum Himmel auf und tragen die Lasten ihres Lebens, die Hoffnungen und den Kummer. Sie erinnern sich an Christus, sein Leiden und seine Auferstehung. Für sie und für uns ist Ostern das Licht, das die Finsternis durchbricht, die Hoffnung, die den Schmerz überwindet. Sie teilen sagenhafte Mahlzeiten, Lächeln und Umarmungen. Und in diesen Gesten feiern sie den Sieg der Liebe über den Hass, der Gnade über die Sünde.
Vielleicht werden diese Lichter der Hoffnung eines Tages heller strahlen als je zuvor und den Weg derer beleuchten, die ihren Weg kreuzen. Und im Schatten dieser flüchtigen Begegnungen, zwischen Lächeln und Blicken, haben wir eine neue Seite unserer Lebensgeschichten geschrieben.