Rama* ist eine der christlichen Frauen, die mit ihren Kindern fliehen und ihre Männer zurücklassen mussten. Aufgrund all der schrecklichen Erlebnisse dieser Wochen erhält sie psychologische Betreuung im Hilfszentrum, das unser lokaler Partner im vergangenen Sommer in Damaskus eröffnet hat. Nach einer Gruppentherapiesitzung für Frauen erzählt sie in wenigen Sätzen, was bei ihr zu Hause in Suweida passiert ist.
Auseinandersetzungen zwischen Drusen und Beduinen
Rama erinnert sich noch genau an die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die am 13. Juli in Suweida ausgebrochen sind. Alles begann mit dem Überfall auf einen drusischen Händler auf der Strasse zwischen Suweida und Damaskus durch Angehörige beduinischer Gruppen. Die Drusen reagierten darauf mit der Entführung mehrerer Beduinen, doch schon bald kam es zu Kämpfen zwischen den bewaffneten Drusengruppen und den Kämpfern der Beduinen.
Die syrische Regierung beschloss einzugreifen, doch die Lage verschlimmerte sich nur noch. Es gab Berichte über Hinrichtungen und Übergriffe auf allen Seiten. Hunderte, vielleicht sogar Tausende Menschen sollen in diesen Wochen der Gewalt getötet worden sein.
«Sie kamen aus dem Westen nach Suweida, wir hatten solche Angst. Diese Menschen kamen aus Idlib. Sie fingen an, alle zu töten»,
erzählt die Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Sie weiss nicht, wer «diese Leute» waren.
Nach einigen Tagen zog sich die Regierung unter dem Druck Israels zurück, das syrische Truppen und sogar ein Regierungsgebäude in Damaskus bombardierte.
Christen zwischen den Fronten
Daraufhin kam es zu weiteren Gewalttaten zwischen Beduinen und Drusen. Die Christen gerieten zwischen die Fronten. Mehrere Kirchen wurden beschädigt, ebenso wie die Häuser von mindestens 30 christlichen Familien, was zur Vertreibung der Bevölkerung führte.
Da sie sich zu Hause nicht sicher fühlten, blieben sie etwa zwei Wochen lang in einer der Kirchen. «In der Kirche befand sich eine gemischte Gruppe von Christen, Alawiten und Drusen, insgesamt etwa 400 Personen. Es gab fast nichts zu essen, wir lebten hauptsächlich von einer Mahlzeit pro Tag. Wasser war knapp. In den ersten Tagen schliefen wir auf den Stühlen der Kirche.»
«Wir haben immer friedlich zusammengelebt. Auf den Strassen kann man drusische Männer und Frauen nicht von christlichen Männern und Frauen unterscheidem», erklärt Rama. Offensichtlich hat sich die Lage in der Region Suweida in den letzten Monaten radikal verändert.
«Als die Gewalt begann, wollte ich mit meinen Kindern fliehen, aber das war unmöglich, da die Region umzingelt war»,
erzählt Rama weiter.
«Wir haben Geschichten über Angriffe auf Frauen und Mädchen gehört. Ich wusste, dass ich meine Tochter nicht dort leben lassen konnte, sie ist Anfang zwanzig. Mein Mann sagte zu mir: ‹Schütze die Kinder und geh›, und wir sind nach Damaskus aufgebrochen.»
Getrennt durch 100 Kilometer
Sie, ihre Tochter und ihr Sohn sind nun in Sicherheit, während ihr Mann in Suweida geblieben ist, um ihr Haus zu schützen und seine Arbeit fortzusetzen. Rama ist froh über die Unterstützung, die sie vom Hilfszentrum erhält und die ihr hilft, alles Erlebte zu verarbeiten. Es ist nicht bekannt, wie viele Christen Suweida verlassen haben, aber mindestens mehrere Hundert Menschen wurden aufgrund der Gewalt vertrieben.
Die Strasse zwischen Damaskus und Suweida ist nicht sicher. Es kam dort zu mehreren Schiessereien und Raubüberfällen. Letzte Woche wurde ein Bus von Unbekannten angegriffen, wobei zwei Menschen starben und elf verletzt wurden.
*Name aus Sicherheitsgründen geändert