Leyla, wie sieht das Leben 40 Tage nach den Erdbeben aus?
Von aussen sieht es so aus, als würde das Leben langsam wieder zur Normalität zurückkehren. Aber in Wirklichkeit kehren die Menschen in ihre Häuser zurück, obwohl sie wissen, dass sie nicht sicher sind. Noch vor wenigen Tagen schliefen die Menschen in ihren Autos. Die Häuser einiger Menschen werden vor ihren Augen abgerissen, weil sie nicht sicher sind und zu stark beschädigt wurden, um wieder bewohnt werden zu können.
Begreifen die Menschen allmählich, was passiert ist, und beginnen, das Trauma der Katastrophe zu verarbeiten?
Die meisten von ihnen sind dankbar, dass sie noch am Leben sind. Und alle hier grüssen sich, wenn sie sich zum ersten Mal seit dem Erdbeben begegnen, mit den Worten «Gott sei Dank sind Sie wohlbehalten». Aber einige verdrängen das Geschehene immer noch oder sind wütend und können es immer noch nicht akzeptieren. Andere wiederum lassen sich gehen. Eines ist sicher: Das Leben der Syrer nach dem Erdbeben ist nicht mehr dasselbe wie vorher. Das habe ich immer wieder gehört.
Und wie geht es der Kirche in Aleppo?
Die Kirche ist seit den ersten Stunden des Erdbebens vor Ort. Nach der Nothilfe – wie Nahrungsmittel und die Bereitstellung einer warmen Unterkunft – arbeitet sie nun an der Sanierung und Wiederinstandsetzung von 2600 beschädigten oder zerstörten Häusern.
Ist die Verfolgung während dieser Katastrophe in den Hintergrund gerückt? Oder gibt es immer noch Anzeichen dafür und Diskriminierung in der Art und Weise, wie die Dinge derzeit in Aleppo ablaufen?
Die Christen in Syrien müssen fortwährend darum kämpfen, als Bürger ihres Landes anerkannt zu werden. In der Vergangenheit wurden sie von der internationalen Hilfe ausgeschlossen, was einer der Gründe ist, warum die Kirche den Christen zu Hilfe kommen musste. Häufig finden sie keine Arbeit oder sind unterbeschäftigt. Natürlich wollen sie in ihrem Land bleiben, aber sie kommen nicht über die Runden, also müssen sie weggehen. Ich kann nicht sagen, dass alle Christen, mit denen ich spreche, gehen wollen, aber die grosse Mehrheit will Syrien verlassen. Das ist sehr traurig.
Wie sieht die Mission der Kirche in Syrien auf lange Sicht aus?
Eine der neuen langfristigen Aktivitäten, die wir umsetzen wollen, ist die Traumahilfe. Wir werden mittel- und langfristig Häuser restaurieren und wieder aufbauen, doch das reicht nicht aus, wenn dieser Wiederaufbau nicht von posttraumatischer Unterstützung begleitet wird.
So wurden Ihre Spenden eingesetzt:
Da Open Doors in Syrien seit vielen Jahren mit Partnern zusammenarbeitet, konnten diese bereits am Tag nach dem Erdbeben Hilfe leisten. Sechzehn lokale Kirchen bringen 7000 bedürftige Menschen in ihren intakten Gebäuden unter und versorgen sie mit Nahrungsmitteln. Sobald die erste Notlage vorüber ist, werden sie posttraumatische Betreuung und Unterstützung beim Wiederaufbau anbieten, vorrangig für Christen in Aleppo und Latakia (insgesamt 50'000) sowie für Gruppen von Christen mit muslimischem Hintergrund, die im Norden Syriens leben.
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