Pressemeldungen Europa | 22 August 2023

Gewalt gegen Christen nimmt weiter zu

Zum UN-Gedenktag für Opfer religiöser Gewalt am 22. August.

 

 
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In zahlreichen Konfliktzonen rund um die Welt werden Menschen Opfer von um sich greifender Gewalt. Insbesondere Angehörige von Minderheiten sind besonders anfällig und werden häufig zur Zielscheibe. Christen, laut eines Berichts des Pew Research Centers die Religionsgemeinschaft, die weltweit am stärksten bekämpft wird, erleben ständig zunehmende Gewalt aufgrund ihres Glaubens. Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalthandlungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung ist ein Anlass, sich an die Opfer der Gewalt zu erinnern.

Burgdorf, 17. August 2023.– Am 17. Mai 2023 wurde Ariful* (Name aus Sicherheitsgründen geändert), ein achtjähriger Junge aus Dhaka in Bangladesch, mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus gebracht. Seine Eltern, zum Christentum konvertierte ehemalige Muslime, waren an der Arbeit, als Nachbarn ins Haus stürmten, um die christliche Familie zu vertreiben, das Kind alleine vorfanden und ihm kochendes Wasser über den Kopf schütteten. Ariful verbrachte 10 Tage in medizinischer Behandlung und ist schwer traumatisiert. Sein Vater zeigte die Täter an, doch die Behörden blieben untätig. 
 
In Uganda überfiel eine Gruppe der militanten islamischen Gruppierung «Allied Democratic Forces» (ADF) am 16. Juni 2023 die Schlafsäle der Lhubiriha-Schule in Mpondwe im Westen des Landes, wo sie 37 Schüler und vier Dorfbewohner brutal töteten. Weitere Schüler wurden entführt.
 
In Kolumbien stehen Christen seit Jahrzehnten zwischen den verschiedenen Gruppen und feindseligen Aktivitäten. Pastoren und Leiter, die sich gegen kriminelle Gruppen stellen, werden bedroht oder tatsächlich brutal überfallen oder ermordet. Jose*, Sohn eines Pastors in der wirtschaftlich gering entwickelten Region Arauca im Nordosten Kolumbiens, erklärt: «Ein Kind, das in der Arauca-Region aufwächst, ist dem Konflikt unmittelbar ausgesetzt. Die Gefahr der Rekrutierung durch illegale Gruppen ist ständig präsent. Auf der Straße bist du ständig mit Waffen und Gewalt konfrontiert. Du befindest dich plötzlich mitten im Krieg.»
 
Im Bundesstaat Manipur im Nordosten Indiens an der Grenze zu Myanmar herrschen seit knapp 3 Monaten gewalttätige Auseinandersetzungen, die auf Spannungen zwischen der ethnischen Gruppe der Meitei, vorwiegend Hindus, sowie der Minderheit der Kuki-Zomi, die mehrheitlich Christen sind, zurückgehen. Die bereits jahrzehntelang schwelenden Spannungen eskalierten, nachdem die pro-hinduistische Regierung von Manipur beschlossen hatte, den Meitei zusätzliches Land und Privilegien zu gewähren, und die christlichen Kuki daraufhin von ihrem Stammland vertrieben worden waren. Christen sowie christliche Kirchen und Institutionen wurden besonders zur Zielscheibe. Nach einem Monat waren bereits 60 Christen getötet, 35'000 Christen mussten fliehen, 397 Kirchen und 6 christliche Institutionen waren zerstört.
 
Ständige Zunahme der Gewalt
 
Seit Jahren nimmt Gewalt gegen Christen kontinuierlich zu. Im aktuellen Weltverfolgungsindex (WVI) des internationalen Hilfswerks für verfolgte Christen, Open Doors, zeigt sich über die vergangenen Jahre ein ständiger Anstieg der Punkte, die die Gewalttaten gegen Christen abbilden. Hotspot der gewalttätigen Übergriffe ist seit einigen Jahren Subsahara-Afrika, angeführt von Nigeria, das seit Jahren die mit Abstand höchste Zahl der wegen ihres Glaubens getöteten Christen aufweist (WVI 2023: 5014 belegte Fälle). Längst hat sich die meist durch islamistische Kämpfergruppen ausgeübte Gewalt auf den gesamten Kontinent ausgeweitet, angefangen von der Sahelzone und dem Tschadsee-Becken, das von Boko-Haram terrorisiert wird, ist mittlerweile auch die Ostküste Afrikas bis nach Mosambik betroffen. 
 
So erlebt auch Kamerun mit einer christlichen Bevölkerungsmehrheit (über 60%) seit einigen Jahren im äussersten Norden brutale Angriffe durch Boko Haram-Kämpfer auf christliche Dörfer. Im aktuellen WVI von Open Doors belegt Kamerun in Bezug auf Gewaltakte gegen Christen den 3. Rang (Gesamtrang 45 im WVI 2023). Während im Süden des Landes und an den Küstenregionen Sicherheit und Stabilität herrschen, sind die Menschen in Nordkamerun fortwährend mit Gewalt konfrontiert. In Bergregionen im Norden verlassen die christlichen Bewohner jeden Abend vor Einbruch der Dämmerung ihre Dörfer, ziehen sich in die Berge zurück und verbringen die Nacht in Verstecken. Am nächsten Morgen kehren sie zurück und verrichten ihre Arbeit. Marie Olinga*, Universitätsdozentin im Norden Kameruns und seit mehreren Jahren in der Begleitung von Gewaltopfern engagiert, berichtet: «Erst kürzlich, Mitte Juli, hat ein Mann es nicht geschafft, rechtzeitig sein Haus zu verlassen. Seine Frau war mit den Kindern bereits vorausgegangen, um ein Versteck für die Nacht zu suchen. Er selbst wurde von den Boko Haram-Kämpfern überrascht und grausam ermordet, all seine Habe mitgenommen oder zerstört. Die Menschen leben in ständiger Unsicherheit.»
 
Viele Menschen versuchen, die Region zu verlassen, doch sie finden nicht leicht Aufnahme. Manche bleiben, weil sie keine Familie haben, an die sie sich wenden können, oder sie bleiben, weil sie hoffen, dass ihre Kinder, die von militanten Islamisten entführt wurden, eines Tages zurückkehren. «Wenn du dich weigerst, zum Islam zu konvertieren, entführen sie deine Kinder. Sie werden zwangskonvertiert und später zurückgeschickt, um ihren Vater und ihre Mutter zu töten, wenn sie sich weiterhin weigern, zum Islam zu konvertieren. Die Mädchen werden mit Kämpfern zwangsverheiratet», beschreibt Olinga die dramatischen Zustände. 
 
Die verheerenden Folgen für die Gesellschaft
 
Die Spirale der Gewalt dreht sich weiter, ständige Unsicherheit und Bedrohung haben Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft und die zukünftige Generation. Kinder, die in dieser Situation aufwachsen, kennen nichts anderes. Junge Menschen, die keine Schulausbildung erhalten, weil das Bildungssystem in dieser instabilen Situation zusammenbricht, verlieren ihre Zukunft. Zusätzlich sind sie dadurch anfällig, mit falschen Versprechen in extremistische und militante Gruppen gelockt zu werden. Infrastruktur und soziale Strukturen können nicht funktionieren, wenn Menschen ständig auf der Flucht sind.
 
Kirchen verlieren ihre gemeinschaftsbildende und sinnstiftende Rolle, wenn sie nicht mehr Sicherheit bieten können und Hoffnung ausstrahlen. Christen haben Schwierigkeiten, sich zu treffen, wenn ihre Kirchengebäude zerstört sind und vielfach die Pastoren getötet wurden oder die Region verlassen mussten, da sie ganz besonders zur Zielscheibe werden. Das führt dazu, dass sie ihren Glauben isoliert leben und häufig auch geheim halten müssen. Sie leben in fortwährender Unsicherheit und Angst, entdeckt oder angegriffen zu werden, sie verlieren Resilienz und Stabilität und können damit keinen tauglichen Beitrag zur Gesellschaft mehr leisten. 
 
«Wir brauchen ein Ende der Gewalt, einen dauerhaften Frieden, diese Angriffe müssen aufhören. Die lokalen Leiter müssen sich zusammensetzen und ihre Ideen zusammentragen, wie der Gewalt wirksam Einhalt geboten werden kann. Es ist einfach nicht möglich, alle Menschen in den betroffenen Gebieten umzusiedeln, um sie in Sicherheit zu bringen. Es ist notwendig, dass sie bleiben können und in einer sicheren Umgebung leben können», erklärt Marie Olinga. «Wir brauchen gemeinsame Anstrengungen, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Wir müssen die Menschen unterstützen, ihr Trauma zu bewältigen sowie Widerstandskraft und neue Hoffnung zu gewinnen. Dabei müssen wir sie unterstützen und auch als Ersthilfe zur Stillung ihrer grundlegenden Bedürfnisse Nahrung und Unterkunft bereitstellen.»
 
Gewalt zeigt sich in vielen Formen
 
Gewalttätige Übergriffe zeigen sich nicht ausschliesslich in Form von unmittelbaren Angriffen auf das Leben des Opfers. Sie können unterschiedliche Ausprägungen von physischer oder materieller Gewalt annehmen. Immer jedoch haben sie einen deutlich sichtbaren oder messbaren Schaden zur Folge. Open Doors verzeichnet stetig steigende Zahlen von Fällen der Gewalt gegen Christen aufgrund ihres Glaubens. Darunter fallen Christen, die aus Glaubensgründen getötet oder verletzt wurden, Angriffe auf Kirchengebäude und andere christliche Gebäude (wie Schulen, Krankenstationen u. a.), Kirchenschliessungen, Christen die verhaftet, verurteilt und im Gefängnis oder in Arbeitslagern festgesetzt werden. Entführungen, sexuelle Übergriffe, Zwangsverheiratungen, körperlicher und psychischer Missbrauch, gewaltsame Vertreibung und zerstörte oder geplünderte Häuser oder Geschäfte sind weitere Vorkommen von Gewalt gegen Christen. 
 
Grund genug für Länder des Westens, nicht die Augen zu schliessen. Im Juli verabschiedete das Europäische Parlament (Brüssel) eine Dringlichkeitsresolution zu den Vorfällen im indischen Manipur. Sie fordern die dortige Regierung auf, alle erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, «um der anhaltenden ethnisch und religiös motivierten Gewalt unverzüglich Einhalt zu gebieten.» Miriam Lexmann, christdemokratische Europaabgeordnete der Slowakei, erklärte: «Die Europäische Union kann ihre Augen vor diesem Verbrechen nicht schliessen.» Ladislav Ilcic, Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten/ECR, Kroatien, ergänzt: «Unsere Botschaft muss klar sein: Wir werden unseren Blick nicht von der Gewalt abwenden, und wir werden verfolgten Christen nicht den Rücken kehren.»
 
In diesem Zusammenhang ruft Philippe Fonjallaz, Direktor von Open Doors Schweiz, auf: «Wir fordern die Schweizer Regierung und das Parlament auf, sich von der entschlossenen Haltung der Europäischen Union bezüglich der Gewalt in Manipur inspirieren zu lassen und sich nicht zurückzuhalten, wenn es darum geht, die Angriffe auf ethnische und religiöse Minderheiten in Indien anzuprangern. Anlässlich des von den Vereinten Nationen ausgerufenen internationalen Gedenktags für Menschen, die aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung Opfer von Gewalt wurden, fordern wir die Schweizer Behörden ebenfalls auf, sich aktiv und kompromisslos gegen die Gewalt gegen Christen und andere religiöse Minderheiten einzusetzen, indem sie bei den Regierungen und Entscheidungsträgern der betroffenen Länder intervenieren und ihren Einfluss geltend machen, um sich für Frieden und Sicherheit einzusetzen.»


 

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