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Nachrichten Syrien | 04 Dezember 2025

Syrien: Ein Jahr nach Assad, geprägt von Glauben und Angst

 

 
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Wie sehen die syrischen Christen ihr Land ein Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024?
Assads Vermächtnis ist geprägt von weit verbreiteter Unterdrückung und Gräueltaten gegen Zivilisten, die nach vierzehn Jahren brutalen Bürgerkriegs zu einer tiefen humanitären Krise und zur teilweisen Zerstörung des Landes geführt haben.

Die neuen Machthaber, die HTS (Hayaat Tahrir al-Sham), haben die Bildung einer Übergangsregierung verkündet. Im Januar wurde die neue politische Landschaft mit der Ernennung ihres Anführers Ahmed al-Sharaa zum Interimspräsidenten offiziell besiegelt.

Kontrastreiche Veränderungen

Ein Jahr nach dem Sturz des Regimes hat sich die Lage in Syrien grundlegend verändert. Einerseits gab es positive Entwicklungen: Die Stromversorgung hat sich im ganzen Land verbessert, die Märkte sind geöffnet, die Bürger haben neue Beschäftigungsmöglichkeiten und können ihre Meinung freier äussern, ohne Verfolgung befürchten zu müssen. Syrien hat erste Schritte unternommen, um wieder Anschluss an die internationale Gemeinschaft zu finden.

Dieses hoffnungsvolle Bild wird jedoch durch die seit Jahresbeginn herrschende Währungskrise und die drastischen Beschränkungen der Banken beim Abheben von Bargeld stark getrübt. Viele Beamte sind nun arbeitslos, wodurch ihre Familien in Armut geraten sind. Darüber hinaus hat die Unsicherheit aufgrund sich ständig ändernder Gesetze und fehlender Sicherheitskräfte zugenommen.

Instabilität und Gewalt

Zu dieser Instabilität kommen zwei schwere Gewaltvorfälle hinzu. Im März 2025 wurde die alawitische Bevölkerung in den Küstengebieten Opfer einer schrecklichen Gewalttat, bei der mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen (anderen Quellen zufolge 2100).

Im April und Mai sowie im Juli 2025 kam es in der mehrheitlich von Drusen bewohnten Provinz Suweida im Süden Syriens zu neuen Konflikten, bei denen es vor allem zu Auseinandersetzungen zwischen Beduinenstämmen, lokalen drusischen Gruppen und den Übergangskräften der Regierung kam. Diese Gewaltausbrüche forderten etwa tausend Todesopfer, darunter 539 drusische Zivilisten.

Syrische Christen: Von allgemeiner Besorgnis zu gezielter Gewalt

Die sunnitischen Wurzeln der neuen Regierung haben bei der christlichen Bevölkerung grosse Besorgnis ausgelöst. Der islamische Einfluss kontrolliert nun die Staats- und Regierungsinstitutionen. «Überall scheint ein Scheich die wichtigen Entscheidungen zu treffen, sowohl in der Regierung als auch an den Kontrollposten», erklärten mehrere christliche Verantwortliche.

Auch auf den Strassen sind Veränderungen sichtbar, denn die ehemaligen Rebellen, die vor dem Sturz des Assad-Regimes nur Idlib und Umgebung kontrollierten, sind nun im ganzen Land verteilt. Überall auf den Strassen sieht man die oft bärtigen Männer und verschleierten Frauen.

Im Laufe des Jahres wurde das tägliche Leben für Christen aufgrund verschiedener Arten der Verfolgung immer schwieriger.

Am schockierendsten war der Bombenanschlag auf die Mar-Elias-Kirche in Damaskus am 22. Juni, bei dem 25 Menschen ums Leben kamen (22 davon Christen) und etwa 60 Christen verletzt wurden. Dieser Terroranschlag war ein schwerer Schock. Eine Woche lang blieben die Kirchen in ganz Syrien fast leer, und alle Aktivitäten wurden verschoben.

Besondere Herausforderungen für Kinder und Frauen

Im Vergleich zu früher hören Kinder, die öffentliche Schulen besuchen, häufiger beleidigende Äusserungen von ihren Mitschülern. «Die Situation ist so schwierig, dass einige Familien unserer Gemeinde darauf verzichtet haben, ihre Kinder zur Schule zu schicken, weil sie aufgrund ihrer christlichen Religion beleidigt wurden», erklärte Pater Yohana, Priester der syrisch-orthodoxen Kirche in Homs. Daher haben einige Familien beschlossen, die Transportkosten zu übernehmen und ihre Kinder zum Schulbesuch in Dörfer in ländlichen Gebieten mit christlicher Mehrheit zu schicken, anstatt sie in der Stadt zu lassen. «Noch trauriger ist, dass die Kirche machtlos ist, diese Realität zu ändern», fügt er hinzu.

Frauen werden auf der Strasse beleidigt, als «wertlos» oder «Ungläubige» bezeichnet. «Ich lebe in Angst um meine Familie. Das ganze Jahr über haben meine Kinder viele verschiedene bärtige und bewaffnete Menschen gesehen, die ihre Mutter als Ungläubige beschimpft haben. Jetzt haben sie Angst, alleine auf die Strasse oder zur Kirche zu gehen», erklärt Wael verzweifelt. Er arbeitet in einer der Kirchen von Homs.

Gemeindeleiter und Kleinunternehmer ausgegrenzt

Selbst Gemeindeleiter werden Opfer von Übergriffen. «Letzte Woche haben mich plötzlich Leute auf der Strasse angespuckt. Sie kamen nicht aus der Gegend. Ich bin einfach gegangen, ohne zu reagieren, denn so verhalten wir uns als Christen nicht», erzählt Pater Isaac aus Homs traurig.

Christen, die kleine Geschäfte betreiben, insbesondere diejenigen, die Läden in muslimischen Vierteln haben, mussten einen Rückgang ihrer Kundschaft hinnehmen, da Nichtchristen nicht mehr bei ihnen einkaufen. «In besseren Zeiten haben sie die Kirche unterstützt, heute muss die Kirche sie unterstützen», sagt Wael aus Homs.

Die Versuchung, vor Unsicherheit und Drohungen zu fliehen

Kürzlich wurden auch Morddrohungen gegen Christen an Kirchenwänden und in christlichen Stadtvierteln hinterlassen.

Die Christen finden sich inmitten eines Konflikts wieder, der nicht der ihre ist.

In der mehrheitlich von Drusen bewohnten Region um Suweida südlich von Damaskus sind mehr als die Hälfte der Christen vor der Unsicherheit ins Landesinnere geflohen. Während des Konflikts in diesem Sommer suchten viele Christen Zuflucht in der Kirche, da es nicht sicher war, in ihren Häusern zu bleiben. «Ich weiss nicht, wie ich neu anfangen soll. Ich habe mein ganzes Leben verloren, meine Arbeit, mein Zuhause und meine Sicherheit. Niemand kann mir mein Leben zurückgeben», sagt Fadi, ein 52-jähriger Mann aus Suweida. Sein Friseursalon und sein Haus wurden von einer unbekannten Gruppe in Brand gesteckt, und er lebt nun in einem gemieteten Haus in Damaskus.

«Nach dem Krieg haben wir an der Restaurierung der Kirche gearbeitet, und jetzt sehe ich, wie sie sich wieder leert, aber wir feiern weiterhin unsere Gottesdienste; die Kirche gibt niemals auf», erklärt der Pastor der evangelischen Kirche von Kharaba, einem Dorf in der Provinz Suweida.

Norden des Landes unter kurdischer Kontrolle

Der Norden Syriens ist nach wie vor unter kurdischer Kontrolle. In diesem Schuljahr haben die kurdischen Behörden die Verwendung des Lehrplans in kurdischer Sprache in allen Schulen vorgeschrieben. Dies führte zur Schliessung von 14 christlichen Schulen, die auf Arabisch unterrichteten. Nach langen Verhandlungen haben die Behörden den Kirchen schliesslich erlaubt, ihre Schulen zu öffnen und den syrischen Lehrplan zu unterrichten. Die Kinder haben seit Beginn des Schuljahres mehr als einen Monat Rückstand. «Der Glaube unserer Kinder und ihr Vertrauen in die Kirche motivieren sie, geduldig zu sein und in ihrer Heimat zu bleiben», erklärt Morris, syrisch-orthodoxer Bischof von Al-Jazeera.
 
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