Die türkische Staatsanwaltschaft hat für den amerikanischen Pastor Andrew Brunson eine lebenslängliche Freiheitsstrafe gefordert. Der 50-Jährige lebt seit mehr als 23 Jahren in der Türkei und wurde nun angeklagt, «Mitglied und leitender Mitarbeiter» der islamischen Gülen-Bewegung zu sein.
Burgdorf, 22. März 2018 – Diese Gruppierung ist nach Auffassung der Regierung in Ankara für den gescheiterten Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Erst in der vergangenen Woche hatte Brunsons Tochter Jacqueline bei einem Appell an den UN-Menschenrechtsrat in Genf die Anschuldigungen «absurd» genannt und seine Freilassung gefordert.
Vor der Anklage sass Brunson bereits 17 Monate lang in Untersuchungshaft. Während türkische Medien eine lange Liste undokumentierter Anschuldigungen veröffentlichten, haben bis heute weder Brunsons Anwalt noch er selbst Zugang zu den Ermittlungsakten der türkischen Behörden erhalten.
«Er ist kein Terrorist»
Brunsons Tochter Jacqueline, selbst in der Türkei aufgewachsen, betonte in ihrer kurzen Rede vor dem Menschenrechtsrat: „Mein Vater ist kein bewaffneter Terrorist, der versucht, die Regierung zu stürzen. Meine Familie liebt und respektiert das türkische Volk, dem mein Vater über zwei Jahrzehnte lang hingebungsvoll gedient hat.» Sie verlas auch eine Notiz, die Andrew Brunson eine Woche zuvor verfasst hatte: «Eines muss klar sein: Ich bin nicht wegen irgendeines Vergehens im Gefängnis, sondern weil ich ein christlicher Pastor bin. Ich vermisse meine Frau und meine Kinder zutiefst. Dennoch bin ich davon überzeugt: Es ist eine Ehre, für Jesus Christus zu leiden, wie es schon so viele vor mir getan haben.»
Während Brunsons drei Kinder zum Studium in die USA zurückgekehrt sind, hat seine Frau Norine zwischenzeitlich die Leitung der kleinen Gemeinde in Izmir übernommen.
Im September 2017 hatte Präsident Erdogan den USA angeboten, Brunson gegen den in den USA lebenden Leiter der Gülen-Bewegung Fetullah Gülen auszutauschen. Damit ist der Pastor de facto ein politischer Häftling. Obwohl US-Präsident Trump beim Staatsbesuch von Präsident Erdogan im Mai 2017 öffentlich Brunsons Freilassung forderte und auch der ehemalige Aussenminister Tillerson den Fall im August nochmals explizit zur Sprache brachte, kam es zu keinen konkreten Fortschritten.
Das Schicksal Andrew Brunsons erinnert an die prekäre Lage der Christen in der Türkei. In keinem anderen Land der Welt wird die Hauptreligion, der sunnitische Islam, derartig intensiv mit leidenschaftlichem Nationalismus vermischt. Das Verlassen des Islam gilt als Verrat an der türkischen Identität, der muslimischen Gemeinschaft und der Familie. Jegliche christlichen Aktivitäten ausserhalb der Kirchen werden als Evangelisation angesehen und sowohl von den Behörden als auch von der Bevölkerung behindert.
Auf dem Weltverfolgungsindex von Open Doors rangiert die Türkei aktuell auf Platz 31 (Vorjahr: 37) unter den Ländern, in denen Christen wegen ihres Glaubens verfolgt werden.
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